Kaffeezeit in Detmold. Leise Musik und das für ein Cafe übliche Murmeln der
in Gespräche vertieften Besucher erfüllen den Raum. Draußen wird das Wetter
immer ungemütlicher. Es hat angefangen zu regnen und langsam wird es auch schon
dunkel. Freude darüber, dass man im Warmen sitzen und in Ruhe einen Kaffee
trinken kann, macht sich breit. Nichts auf der Welt könnte einen jetzt dazu
bewegen, diesen Ort zu verlassen.
Doch das war nicht immer so. Noch 1850 hätte vermutlich fast jeder alles dafür
geben, aus diesem Haus herauszukommen, auch wenn draußen noch so schlechtes
Wetter geherrscht hätte. Denn bis in dieses Jahr war das heutige Cafe „Gothland“
das lippische Zuchthaus. Es wurde 1749 zu diesem Zweck auf dem Platz eines
mittelalterlichen Hospizes erbaut.
Heute kann man sich die Situation, die damals geherrscht haben muss, kaum noch
vorstellen. Nur die dicken, aus Bruchstein gemauerten Wände erinnern noch an
diese längst vergangene Zeit. Auch in den Kellergewölben, in denen heute die
Toiletten und Abstellräume des Cafes untergebracht sind, waren früher Zellen der
Strafgefangenen. Doch der eigentliche Hintergrund des Cafes, dem es auch seinen
Namen verdankt, ist, dass es das Geburtshaus des Detmolder Dichters Christian
Dietrich Grabbe ist. Er wurde als Sohn des damaligen Gefängnis-Direktors Adolph
Heinrich Grabbe am 11. Dezember 1801 in eben diesem Haus geboren. Nachdem er
sein Abitur an dem damals einzigen Detmolder Gymnasium beendet hatte, zog es ihn
nach Leipzig zum Studium der Rechtswissenschaften. Zwei Jahre später wechselte
er nach Berlin und beendete dort seine Tragödie „Herzog Theodor von Gothland“.
Nach 1850 wurde das Haus als Geschäfts- und Handwerkerhaus genutzt, bis es 1938
von der Grabbe-Gesellschaft übernommen wurde. Im Jahre 1989 ging das Grabbe-Haus
an die Stadt Detmold über. Diese richtete dort eine „kulturelle
Begegnungsstätte“ ein, die auch heute noch so vorhanden ist.
So wurde in dem hinteren Teil des ehemaligen Gefängnisses ein Studio-Theater,
die „Kleine Bühne im Grabbe-Haus“, eingerichtet, in der seitdem viele
verschiedene Theaterformen und Stilistiken ausprobiert wurden. Außerdem wurde
das Lippische Literaturarchiv und die Geschäftstelle der Grabbe-Gesellschaft
dort etabliert.
Zu guter Letzt wurde dort auch das Cafe eröffnet, das den Namen „Gothland“
erhielt. Für den Besitzer, Uwe Hercher, gab es von Anfang an nur zwei Namen, die
infrage kamen. Der eine lautete „27“, da es in der Bruchstraße 27 liegt, und der
andere „Gothland“ da es das erste große Werk von Grabbe war. Da der Name jedoch
auch die Geschichte des Grabbe-Hauses beinhalten sollte, fiel die Entscheidung
recht schnell auf das „Gothland“.
Mittlerweile ist es spät geworden, die Stimmen sind etwas lauter geworden und
die Leute trinken jetzt mehr Bier als Kaffee, auch die Bar ist nun besetzt. Das
Cafe hat sich in eine Kneipe verändert und draußen hat es aufgehört zu regnen.
Man kann nun trockenen Fußes nach Hause gehen.
Maximilian Michelsen, Grabbe-Gymnasium Detmold