Der Raum ist düster, ebenso wie die Gestalten, die darin tanzen. Die Musik
klingt schaurig. Und dennoch herrscht eine stille Einigkeit und ein Zusammenhalt
unter den Leuten. Schauplatz ist die Disco „Schlachthof“ in Bremen. Jeden ersten
Samstag im Monat ist dort „Geistertanz“. Dann treffen sich Grufties und andere
Mitglieder der „schwarzen Szene“. Der Schlachthof ist aber nicht nur eine Disco,
denn seit 1998 ist dort auch die Initiative „Grufties gegen Rechts / Musik for a
new society“ zu Hause.
Im Mai 1998 sind ein paar befreundete Gothics aufgrund der zunehmenden
Vereinnahmung der Neonazis der schwarzen Szene, durch rechte Bands, Labels und
Funktionäre auf Festivals, auf die Idee gekommen, eine Vereinigung zu gründen.
„Unsere Ziele dabei sind zu verhindern, dass rechtsextremes Gedankengut dort, wo
wir uns bewegen, Verbreitung finden kann, dass Rechtsextremisten durch den
Verkauf von Tonträgern und Merchandising-Material Geld für ihre politische
Propaganda zufließt und ganz grundsätzlich die vielbeschworene Toleranz und
Offenheit der schwarzen Szene von Leuten kaputt gemacht wird, die die schwarze
Szene für ihre menschenverachtenden Ideologien gewinnen wollen.“, erklärt einer
der Gründer.
Da die Resonanz in Bremen erfreulich gut war, fühlten sich die Gründer ermutigt
bundesweit zu werben. So entstand die Broschüre „Die Geister, die ich rief..“,
in der die Absichten und die klare Distanz zur rechten Ideologie deutlich
erklärt ist.
Pfingsten 1998 wurde die Broschüre auf dem Wave-Gotik-Treffen (WGT) in Leipzig
verteilt. Dadurch erhielt die Initiative noch mehr Anhänger. Unter anderem die
in der Szene sehr bekannten Bands „Lacrimosa“, „Das Ich“, „Deine Lakaien“ und
viele mehr. Dadurch wurden auch gut besuchte Vortragsveranstaltungen,
Soli-Parties, Konzerte und andere große Veranstaltungen möglich. Selbst Kontakte
zu internationalen Künstlern wie die „Einstürzende Neubauten“ stellte sich her.
Sie alle unterzeichneten, dass sie sich deutlich von den rechten Labels, den
Fan-Magazinen und der Musik distanzieren. Ebenso unterschrieben private DJ‘s,
Fan-Magazine und Labels. Ein weiterer Vorteil der Veröffentlichung der Broschüre
auf dem WGT war, dass sich viele Untergruppen von „Grufties gegen Rechts“
bildeten. Zum Beispiel in Rostock, Stuttgart, Eberswalde, Hamburg, Mannheim,
Chemnitz, München, Würzburg, Karlsruhe, Hannover und vielen kleineren Orten
wurden die Menschen selbst aktiv.
Das nimmt den Bremer DJ’s viel Arbeit ab. Doch natürlich gibt es für die
ehrenamtlich arbeitenden Gründer, die auch andere Verpflichtungen haben, noch
viel zu viel Arbeit. „Wir bekamen immer mehr Material zugeschickt und mussten
feststellen, dass das Ausmaß des rechtsextremen „Kulturkampfes“ viel größer ist,
als wir zu Beginn erwartet hatten. Doch die Aktenordner mit rechtsorientierten
Fanzines , CD-Booklets usw. werden nicht nur dicker und dicker, sondern wollen
auch gelesen und ausgewertet werden.“, erklärt einer der DJ’s. „Wir wollen
nicht, wie schon so viele vor uns, Gerüchte und Oberflächlichkeiten verbreiten,
sondern genau belegbare Informationen und fundierte Kritik als Beitrag zur
Meinungsbildung, Diskussion und Aktion innerhalb und auch außerhalb der Szene.
Das fordert viel Zeit und Geduld.“
Doch die Gründer sind der Ansicht, dass sich die Arbeit lohnt. „Endlich findet
eine Diskussion zum Thema in der Szene statt und endlich wird nach langen Jahren
wieder niveauvoll über die Inhalte der Ästhetik, Musik und Szene diskutiert. Wir
sind der Meinung, dass dies der schwarzen Szene nutzen wird und sie in jeglicher
Hinsicht vorwärts bringen kann. Der manchmal gegen uns erhobene Vorwurf, wir
würden mit unseren Aktivitäten "die Szene kaputtmachen", ist haltlos. Nach all
dem, was in den letzten Monaten in Bewegung geraten ist, sind wir der festen
Überzeugung, dass der Prozess, den wir angestoßen haben und an dem immer mehr
Gothics aktiv teilnehmen, zu einer Wiederbelebung der Szene führt.“, erläutern
die Gründer auf ihrer Homepage.
Dort auch zu finden ist die Erklärung, warum die Neonazis gerade die schwarze
Szene für ihre Ideologien gebrauchen. Hier wird dargelegt, wie die „Neuen
Rechten“ versuchten, die Gesellschaft auf ihre Ideen aufmerksam zu machen. Ihnen
war aufgefallen, dass sich immer mehr linke Subkulturen bildeten, es aber
abgesehen von der Nazi-Skin-Szene keine rechten „Spiegelbilder“ gab. Daher
suchten sie sich Alternativkulturen, in denen sie glaubten, mit Propaganda für
ihre Ideen anzukommen. In der schwarzen Szene glaubten sie, fündig geworden zu
sein. Mit Bandgründungen und Propaganda auf Festivals versuchen sie nun die
schwarze Szene zu vereinnahmen, und schüren damit auch die Vorurteile, dass alle
Grufties rechtsorientiert seien.
Dagegen versuchen die Bremer DJ’s mit der Hilfe anderer aktiver Grufties
anzukämpfen und die Menschen aufmerksam zu machen, damit sich die Nazis nicht
noch mehr verbreiten. Denn schließlich wollen sie, dass die stille Einigkeit und
die Toleranz, die in der schwarzen Szene herrscht, noch lange so bleibt, wenn
sich die Grufties mal wieder zum Geistertanz oder woanders treffen.
Sonja Bockrath, Grabbe-Gymnasium Detmold