Lippisches Kultur-Journal

LIPPISCHE LANDES-ZEITUNG, NR. 8, DIENSTAG, 11. JANUAR 2000

Volle Konzentration für Beethoven

Detmolder Jugendorchester und Solist Gunnar Harms spielen Violinkonzert auf CD ein

VON BARBARA LUETGEBRUNE

Detmold. In der CD-Produktion ist genaues Timing Trumpf. Zeit ist Geld. In dieser Hinsicht arbeitet das Detmolder Jugendorchester vom ersten Tun an professionell: Um Punkt eins hebt der Dirigent den Taktstock, obwohl der Solist noch fehlt. Der reist per Zug all - und zwar auf die Sekunde genau. Als er seine Jacke ausgezogen, die Geige ausgepackt, den Bügel gespannt hat, sind die jungen Musiker gerade bei seinem ersten Einsatz angelangt.

Ganz so knapp war die zeitliche Kalkulation nicht angelegt, die kurzfristige Anreise fiel lediglich in die Einspielprobe. Drei Tage lang hat sich das Detmolder Jugendorchester Zeit genommen für die Einspielung der CD. Beethovens Violinkonzert D-Dur op.61. wird darauf zu hören sein. Den Solopart hat Gunnar Harms übernommen, die musikalische Leitung liegt bei Joachim Bergmann. Für den langjährigen Dirigenten des Jugendorchesters war dies nicht die erste Aufnahme mit dem Ensemble. Vor zehn Jahren gab es bereits eine Einspielung - die erschien allerdings noch als Langspielplatte. Von der damaligen Orchesterbesetzung ist natürlich jetzt niemand mehr dabei. Das Jugendorchester rekrutiert seine Mitglieder in der Hauptsache aus den Schülern des Grabbe-Gymnasiums - Fluktuation ist da an der Tagesordnung. Mindestens zwei komplette Programme erarbeitet das Orchester pro Jahr. Warum sich ausgerechnet das Violinkonzert für die Aufnahme qualifizierte? "Wir wollten gerne mal wieder etwas in dieser Richtung machen. Und nach dem Beethoven-Konzert im November hatten wir den Eindruck, dass der uns ganz gut gelungen war", erzählt Bergmann.

„Um leise zu spielen, braucht man Mut"

JOACHIM BERGMANN

Das Konzert ist jetzt nicht nur seit zwei Monaten Vergangenheit, dazwischen liegen auch noch die Weihnachtsferien: mehr als zwei Wochen, in denen das Orchester nicht mehr gemeinsam geprobt hat. Die Mitglieder müssen sich erst wieder zusammen finden, einiges ist in Vergessenheit geraten.

„Diese Stelle habt ihr schon mal viel schöner leise gespielt", wendet sich der Dirigent an seine Musiker. „Dazu braucht ihr ein bisschen Mut. Habt den mal." Die Stelle wird wiederholt: Besser, befindet der Fachmann. Takt für Takt arbeitet man sich voran: 133 - 297 - 386. Und Tipps gibt es nicht nur vom Dirigenten, auch Solist Gunnar Harms hat Wünsche an die jungen Kollegen: „Hier müssen die halben Noten unbedingt zusammen kommen. Erst dann bekommt die Passage die nötige Wucht."

Gunnar Harms hat selbst im Detmolder Jugendorchester gespielt. 1985 hat er am Grabbe-Gymnasium Abitur gemacht, studierte anschließend Musik. Jetzt ist er Mitglied des Leipziger Gewandhausorchesters. Der Kontakt zwischen ihm und seinem Ex-Leistungskurslehrer Joachim Bergmann ist nie ganz abgerissen. Für Gunnar Harms ist die alte Verbindung nur ein Grund, warum er sich die Zeit nimmt, mit dem Jugendorchester zu spielen.

„Ich finde es außerdem wichtig, dass die Schüler sehen können, was aus Musik werden kann, wenn sie professionell betrieben wird." Und völlig uneigennützig sei sein Engagement auch nicht: Die Konzertliteratur, die ein Orchestermusiker in der Regel allenfalls fürs "stille Kämmerlein" studiere, komme auf diese Weise einmal zu öffentlichen Ehren. Dann soll man ihn allerdings auch hören, findet er: „An dieser Stelle ist das nicht eben die günstigste Lage für die Geige. Da müssen die Holzbläser leiser spielen, sonst macht ihr mich locker alle."

Auch an Tonmeister Ludger Böckenhoff von der Firma „Fermate Musikproduktion" stellt die Arbeit mit den Schülern ungewohnte Anforderungen: „Die Aufnahmeleitung ist anders. Man muss die jungen Leute ganz anders motivieren." Außerdem müsse er einschätzen können, wieviel er von den Musikern verlangen kann. Diesen Punkt spricht er bei der ersten Manöverkritik im Aufnahmeraum an: „Ihr müsst mir sagen, wenn ich das Orchester überfordere." Alles in allem ist der Start gut gelaufen - Solist, Dirigent und Tonmeister sind zufrieden mit den ersten Klangproben.

Zwei Tage später ist das immer noch der Fall. Ein arbeitsreiches Wochenende liegt hinter den Musikern. Bergmann: "Wir sind alle platt, aber es hat sich gelohnt." Die Zusammenarbeit habe gestimmt, das Orchester habe viel gelernt. Das Ergebnis ihrer Arbeit können die jungen Akteure in sechs Wochen hören. Dann soll die CD in 1000-facher Stückzahl vorliegen. Vom gelegentlichen Hineinhören weiß Bergmann allerdings schon jetzt: „Das ist sehr brauchbar."

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