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Deutsch-israelischer Schüler:innen-Austausch 2022

 

What remains?

Deutsch-israelischer Schüleraustausch am Grabbe vom 21.-27. März 2022


Als die Schüler:innen der Highschool in Maccabim Re’ut am Sonntag früh um 7 Uhr von den Schüler:innen der Israel-AG des Christian-Dietrich-Grabbe-Gymnasiums Detmold auf der Oranienburger Straße in Berlin zum Bus begleitet werden, der sie am 27. März für die Heimreise zum Flughafen bringen soll, sind die Tränen nicht mehr aufzuhalten.

Hinter den Schüler:innen liegt eine einwöchige gemeinsame Reise, in der sie trotz Klausuren und Proben für die bald anstehenden Musical-Aufführungen eine Woche lang intensiv mit ihren Austauschpartner:innen aus Israel die Geschichte der Judenverfolgung und -vernichtung in Europa bearbeitet haben. Gleichzeitig haben sie auch mehr voneinander erfahren und miteinander eine Verbindung aufgebaut.

Diese gemeinsame Reise begann, nachdem die Schüler:innen in der Nacht von Sonntag auf Montag, den 21. März, um 4 Uhr morgens von der deutschen Delegation am Grabbe-Gymnasium willkommen geheißen wurden. Sofort ging es zunächst für die israelische Delegation in die Gastfamilien, um etwas Schlaf nach der anstrengenden Reise aufholen zu können, während die deutschen Schüler:innen wenig später ihren normalen Schulalltag starteten. Nach einer kurzen Mittagspause wanderte dann die gesamte Gruppe bei wunderbarem Sonnenschein zum Hermannsdenkmal. Gehen heißt verstehen – und so konnten sich beide Delegationen das erste Mal länger untereinander austauschen und kennenlernen.hermann

Am Dienstag fuhr die Austauschgruppe mit dem Bus zur Wewelsburg, um sich mit der Geschichte der SS, insbesondere mit den Biographien der SS-Täter, der Ideologie und den Kultstätten, sowie den Opfern des KZ Niederhagen und der Aufarbeitung der Nazivergangenheit nach 1945 auseinanderzusetzen. Im Vorfeld hatten die deutschen Schüler:innen während eines Wochenendseminars im Oktober die Ausstellung bereits besucht und eine eigene Führung auf Englisch vorbereitet, um nun der israelischen Delegation die Ausstellung zeigen und erklären zu können.

Am Mittwoch Vormittag besuchten die israelischen Schüler:innen am Grabbe-Gymnasium die Klassen der Jahrgangsstufen 8 und 9, um sich, ihr Land und ihr Leben in Israel vorzustellen. Gleichzeitig wurde so auch schon für die nächste potenzielle Generation der Israel-AG an unserer Schule geworben. Am Nachmittag gingen die Austauschteilnehmer:innen dann gemeinsam auf eine Tour durch Detmold auf den Spuren jüdischen Lebens, zu dem die Schüler:innen der Israel AG im Vorfeld bereits einen digitalen Stadtrundgang vorbereitet hatten. Siehe hier:

Deutsch: https://storymaps.arcgis.com/stories/c71f4d1dc5b143e6a88210a4f974d050
Englisch: https://storymaps.arcgis.com/stories/240ce67a6d6e46efaeebbdf2e8654f19


Tags darauf war die Aufregung besonders groß, als der WDR in die Schule kam, um zu filmen, wie die beiden Delegationen mit Joanne Herzberg sprechen konnten. Joanne wurde eingeladen, um den Schüler:innen von ihrer Familiengeschichte zu berichten. Ihre Familie war von den nationalsozialistischen Judenverfolgungen und der Shoa betroffen. Einzig Joannes Vater Fritz, der 1939 als 17-jähriger mit einem jüdischen Kindertransport Deutschland verlassen konnte, überlebte den Holocaust. Das neue Leben, welches sie nach dem 2. Weltkrieg in den USA führten, war überschattet von der dunklen Vergangenheit. Alle Schüler:innen waren von Joannes Geschichte tief bewegt. Joanne wiederum freute sich, so viele jüdische Jugendliche in Detmold anzutreffen.

Am Nachmittag sprachen die Austauschschüler:innen - inspiriert von Joannes Erzählung – in Kleingruppen über ihre Familiengeschichten im Hinblick auf die Geschehnisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch die Lehrer:innen beider Delegationen sind dem Beispiel gefolgt und haben über ihre Familiengeschichten erzählt.

Freitag früh ging es dann zeitig los mit dem Bus Richtung Berlin, um zunächst das Haus der Wannseekonferenz für eine geführte Ausstellung zu besuchen und im Anschluss am Mahnmal Gleis 17 in Berlin-Grunewald eine gemeinsame Zeremonie zum ehrenvollen Andenken der aus Berlin deportierten jüdischen Menschen während der Shoah abzuhalten. Diese beiden Programmpunkte haben einige Schüler:innen – sowohl auf israelischer aber vorallem auf deutscher Seite sichtbar mitgenommen. Nach dem Einchecken im zentral gelegenen Hotel Meininger tat dann auch ein gemeinsamer Spaziergang durch Berlin wirklich gut. Zudem gab dies den Schüler:innen die Gelegenheit, die schönen Gebäude der Museumsinsel, die Spree und den Alexanderplatz bewundern zu können.

Das Programm am Donnerstag und Freitag hatte eindrücklich vermittelt, wie schwer die Verantwortung wiegt, die wir alle vor dem Hintergrund der leidvollen Geschichte für eine gemeinsame Zukunft tragen. Der Abschluss dieser Woche im Hinblick auf die leidvolle Geschichte kam nun aber noch am Samstag: Der Besuch des Mahnmals der ermordeten Juden in Europa. Hier zeigte sich in besonderem Maße, wie wichtig dieser Austausch für beide Seiten ist. Die Jugendlichen mussten sich gegenseitig stützen, man lag sich in den Armen und hat geweint und sich gegenseitig getröstet.

Nach dem Besuch des Mahnmals konnten alle dann noch einmal die Vorzüge Berlins genießen und ihre Freizeit selbstständig gestalten, bevor sich die Gruppe abends zu einer vorerst letzten gemeinsamen Runde im Hotel traf. Hier konnte noch einmal über die Erlebnisse der Woche, über all das Gute, das Neue, das Überraschende gesprochen und auch Kritik geübt werden.

Dementsprechend war der Abschied nach der intensiven gemeinsamen Zeit schwer und schmerzlich. Tröstlich bleibt, dass in bereits knapp fünf Wochen der Rückbesuch ansteht und die deutschen Schüler:innen von ihren Austauschpartner:innen in Israel freudig erwartet werden. Gleiches gilt übrigens für die Lehrer:innen, die in dieser Zeit auch eine freundschaftliche Verbindung aufbauen bzw. fortsetzen konnten.

Was bleibt nun? Das haben die beiden Delegationen eindrücklich zurückgemeldet:
Es bleibt ein Gefühl der tiefen Verbundenheit und Hoffnung für eine Zukunft, in der die deutsch-israelischen Verbindungen wachsen und gedeihen, in der wir alle aufeinander achtgeben, ein Leben in Frieden führen wollen und entschieden allen Formen von Antisemitismus gemeinsam entgegentreten.